THINK Blog DACH

#positivarbeiten – die Geschichte eines IBM-Mitarbeiters
December 01, 2021

er Welt-AIDS-Tag 2021 bietet Menschen auf der ganzen Welt die Gelegenheit, sich im Kampf gegen HIV, den Humanen Immundefizienz-Virus, zu vereinen. An diesem Tagen rufen wir uns in Erinnerung...

er Welt-AIDS-Tag 2021 bietet Menschen auf der ganzen Welt die Gelegenheit, sich im Kampf gegen HIV, den Humanen Immundefizienz-Virus, zu vereinen. An diesem Tagen rufen wir uns in Erinnerung Menschen, die mit HIV leben, zu unterstützen und derer zu gedenken, die an einer AIDS-bedingten Krankheit gestorben sind. Der im Jahr 1988 ins Leben gerufene Welt-AIDS-Tag, der jährlich am 1. Dezember begangen wird, war der erste globale Gesundheitstag überhaupt. Obwohl das Virus erst 1984 entdeckt wurde, sind bis heute mehr als 35 Millionen Menschen an HIV oder AIDS-bedingten Krankheiten gestorben. Dies macht die AIDS-Pandemie zu einer der verheerendsten der Geschichte. Die Initiative #positivarbeiten (#workingpositively) ist eine Bewegung zur Bekämpfung der Diskriminierung von Menschen mit HIV am Arbeitsplatz sowie der Stigmatisierung rund um das Virus. In Deutschland wurde die Initiative im Jahr 2018 in Zusammenarbeit mit IBM, SAP und der Deutschen Aidshilfe gegründet und 2019 offiziell ausgerollt. Zum Start im Juni 2019 konnten bereits 50 Arbeitgeber für diese Idee gewonnen werden. Die Bewegung schwappte ein Jahr später nach Österreich und inzwischen haben in DACH bereits mehr als 200 Unternehmen unterschrieben. Nun folgt die Schweiz: Die Eidgenossenschaft startet #positivarbeiten am Welt-AIDS-Tag 2021.

Ohne das Engagement und die Bemühungen von Menschen wie IBM-Mitarbeiter Daniel Waliduda wäre dies unmöglich gewesen. Daniel ist selbst HIV-positiv und hat sich der Bewegung #positivarbeiten angeschlossen, indem er seinen HIV-Status innerhalb der IBM-Community öffentlich bekannt gegeben hat. Dies ist seine Geschichte, die er hier erzählen möchte:

 

Die Széchenyi Kettenbrücke am 1. Dezember 2019

Vor sieben Jahren stellte sich mein Leben auf den Kopf

Ich bin in Ungarn geboren und aufgewachsen, habe väterlicherseits auch polnische Wurzeln. Als ich erwachsen wurde, ermutigte mich mein Vater, einen Job in Polen anzunehmen. So zog ich 2014 für drei Monate nach Polen.

Am 4. Oktober ging ich mit zwei ungarischen Jungs aus. Obwohl ich nicht mehr Alkohol als sonst konsumierte, hatte ich einen kompletten Blackout. Zwei bis drei Stunden waren aus meinem Gedächtnis gelöscht. Als ich am nächsten Tag aufwachte, untersuchte ich meinen Körper und konnte keine Anzeichen eines sexuellen Übergriffs feststellen. Aber ich spürte, dass etwas nicht stimmt. Ich kann nicht erklären, warum und wie, es war einfach ein Gefühl.

Damals war mir bereits HIV bekannt. Ich wusste, der Virus ist heimtückisch, weil er keine spezifischen Symptome zeigt. Zwei Wochen nach der Party wachte ich mit einer warmen Stirn auf und in den folgenden drei bis vier Tagen fühlte ich mich geschwächt. Anfang Dezember desselben Jahres zog ich zurück nach Budapest. Anfang Januar 2015 bestätigte mir ein Test, dass ich mich tatsächlich mit dem HI-Virus angesteckt hatte.

Von den Ärzten erhielt ich viele Ratschläge: Ich solle meine Diagnose nicht mit meinen Freunden teilen. Auch nicht mit meinen Dates. Nicht einmal mit meiner Familie. Vor allem solle ich die Krankheit auf keinen Fall gegenüber meinen Kollegen oder Vorgesetzten äußern, da ich sonst gefeuert werden würde. Ich habe ihren Rat befolgt. Aber ich hasse es zu lügen. Ich hasse es, mich zu verstecken – und ich wollte nicht mit solchen Geheimnissen leben. So begann ich schließlich, mit Freunden zu sprechen. Sie machten sich Sorgen um meine Gesundheit, versicherten mir aber ihre Liebe und Unterstützung. Ich fing an, mit Dates darüber zu sprechen. Das war manchmal eine Katastrophe. Ich fühlte mich schuldig und schämte mich, und meine Dates spürten das.

Ich sehnte mich danach, jemanden zu treffen, der auch HIV-positiv ist

Vor zwei Jahren initiierte die ungarische NGO Háttér Society eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die sich mit HIV angesteckt hatten. Langsam begann sich alles in meinem Leben zu verändern. An jenem Freitagabend waren etwa zwölf Personen in dem Raum anwesend, die alle HIV-positiv waren. Nach fünf Jahren der Einsamkeit fühlte ich mich endlich nicht mehr allein.

Zunächst nahm ich Kontakt mit der Organisation EAGLE Hungary (Employee Alliance of Gay and Lesbian Empowerment) auf, einer Initiative, die sich für ein sicheres und offenes Arbeitsumfeld für alle Mitarbeiter_innen einsetzt. Seit dem Frühlingsnachmittag, an dem ich meinen Vorgesetzten bei IBM meinen HIV-Status mitteilte, standen sie geschlossen hinter mir und unterstützten mich bei meinem Plan, während einer Live-Veranstaltung im „Pride Month“ über meine HIV-Geschichte zu sprechen.

Gesichter von #positivarbeiten: Axel Wedler, Daniel Waliduda and Jörg Beissel

Ich traf Axel Wedler und lernte #positivarbeiten kennen

Ich hatte Angst vor der Reaktion der anderen. Bei der Vorbereitung erhielt ich jedoch enorme Unterstützung, insbesondere von Axel Wedler, dem Mitbegründer von #positivarbeiten. Die einstündige virtuelle Session fand am Nachmittag des 17. Juni statt. Ich weiß kaum noch, was ich gesagt habe, aber ich weiß genau, was ich gefühlt habe: Glück und vor allem Erleichterung.

Menschen mit HIV halten ihre Diagnose oft geheim, weil sie Angst haben, anders behandelt zu werden, sobald ihr Umfeld von ihrer Erkrankung erfährt. Wie bei vielen anderen chronischen Krankheiten, ist HIV für andere auch nicht sichtbar. Die Mission von #positivarbeiten ist es, positive Geschichten hervorzuheben und so das alte Bild von HIV loszuwerden. Letztlich geht es um Selbstbestimmung – ein Gefühl der Freiheit, man selbst sein zu können und nichts verstecken zu müssen.

Daniel und sein Partner

Ich habe großes Glück

Ich habe eine liebevolle Familie. Zudem habe ich Freunde, die mich unterstützen, und einen tollen Partner. Er ist HIV-negativ und mein Gesundheitszustand war nie ein Problem für ihn. Durch die tägliche Einnahme eines Medikaments ist meine Viruslast auf null gesunken, sodass ich weder meinen Partner noch sonst jemandem in meinem Umfeld anstecken kann. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben angelangt, an dem ich all meine Energie und Unterstützung zurückgeben möchte. Ich möchte an einer Veränderung mitwirken. Ich möchte zu den ganz Wenigen gehören, die sich trauen, offen mit HIV umzugehen und zu sagen: Ich lebe mit HIV. Und das ist absolut in Ordnung.

Daniels Großeltern in IBM Pride T-Shirts

Mehr Informationen zu #positivarbeiten finden Sie hier

Und generelle Informationen über HIV und AIDS hier

Hatter Society

Daniel gibt Interviews und schreibt Artikel. Zwei von Daniels Artikeln wurden auch auf Englisch veröffentlicht: Lesen Sie hier die Geschichte von Péter und hier die Geschichte von Éva.

Article Categories