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IBM 5 in 5: Radikal beschleunigte Materialforschung ermöglicht unsere nachhaltige Zukunft
By | IBM Fellow, Vice President Europe & Africa and Director, IBM Research Europe
September 30, 2020

Unsere Aufgabe bei IBM besteht darin, unseren Kunden zu helfen, ihre Abläufe und Prozesse zu verändern und zu verbessern. Dafür gibt es kein besseres Beispiel als die jährlichen “5 in...

Unsere Aufgabe bei IBM besteht darin, unseren Kunden zu helfen, ihre Abläufe und Prozesse zu verändern und zu verbessern. Dafür gibt es kein besseres Beispiel als die jährlichen “5 in 5”-Technologieprognosen von IBM. Jedes Jahr stellen wir fünf Trends vor, die unserer Meinung nach in den nächsten fünf Jahren wichtige Bereiche unserer Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern könnten. Wir stützen unsere Einschätzungen dabei auf Projekte in unseren Forschungszentren rund um den Globus und auf allgemeine Branchentrends.

Die diesjährigen 5 in 5 Vorhersagen zeigen anhand von Beispielen, wo die Beschleunigung in der Materialforschung durch den Einsatz von IT helfen kann, um eine nachhaltigere Zukunft für uns alle zu ermöglichen. Im Einklang mit dem globalen Handlungsaufruf der Vereinten Nationen im Rahmen ihrer Ziele für eine nachhaltige Entwicklung arbeiten unsere Forscher daran, eben genau die Entdeckung und Entwicklung neuer Materialien zu beschleunigen, mit denen eine Reihe zentraler, weltweiter Herausforderungen angegangen werden können – sei es im Gesundheitswesen, saubere Energie, Klimaschutz oder in der Nahrungsmittelproduktion.

Materialforschung geht globale Herausforderungen an

Wir glauben, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre neue Materialien oder der neuartige Einsatz bestehender Materialien dazu beitragen werden, einige der globalen Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu bewältigen:

  1. Kohlendioxid effizient aus unserer überlasteten Atmosphäre filtern und sicher zu lagern, um den Klimawandel abzuschwächen.
  2. Nachhaltige Düngemittel finden, um die wachsende Erdbevölkerung zu ernähren. Dazu braucht es auch einen Ersatz für den Stickstoff beziehungsweise die zum Einsatz kommenden Nitrate.
  3. Mit Hilfe von Quantencomputern und künstlicher Intelligenz (KI) die nächste Generation von leistungsfähigeren, nachhaltigeren und billigeren Batterien und andere Energiespeicher
  4. Mit KI neue, nachhaltigere Materialien für Halbleiter, die Taktgeber unserer digitalen Leben, finden.
  5. Ebenfalls mit Hilfe von KI Analysemethoden für klinische Studien beschleunigen, um so Medizinern an vorderster Front zu helfen, lebensbedrohliche Erreger effektiver und schneller zu bekämpfen, als es derzeit möglich ist.

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Klar ist: Noch haben wir diese Ziele in der Materialforschung nicht erreicht – aber sie sind heute schon mehr als bloßes Wunschdenken.

10 Jahre Entwicklungszeit, bis zu 100 Millionen Dollar Kosten

Dazu müssen wir aber die Art und Weise, wie wir Materialien erforschen und entwerfen, massiv beschleunigen. Ein traditionell harter und komplexer Prozess. Es gibt mehr mögliche mulekulare Kombinationen als es Atome im Universum gibt. Darüber hinaus hängen die endgültigen Eigenschaften von Materialien nicht nur davon ab, woraus sie bestehen, sondern auch von den Verfahren ihrer Herstellung und letztlich von ihrer endgültigen Struktur.

Es dauert normalerweise etwa zehn Jahre und kostet bis zu 100 Millionen Dollar, um ein neues Material mit bestimmten Eigenschaften zu entwickeln. Mit Hilfe von Technologien wollen wir beides – Zeitraum und Kosten der Materialforschung – um 90 Prozent senken. KI, ein größerer Datenraum und Quantencomputing werden dabei genauso helfen wie so genannte generative Modelle und Laborautomatisierung durch offene, hybride Cloud-Umgebungen.

Die Konvergenz dieser Technologien wird es uns ermöglichen, den klassischen Entwicklungs- und Entdeckungsprozess auf eine grundlegend neue Art und Weise zu modernisieren – weg von Zufall, Glück und Fügung hin zu so etwas wie kalkulierter Zuversicht.

KI-Instanzen werden über die nächsten Jahre in der Lage sein, das Wissen der Menschheit zu einem bestimmten Thema zusammenführen. Dann werden Supercomputer und schließlich Quantensimulationen uns helfen, die noch offenen Wissenslücken zu schließen. Auf der Grundlage früherer Daten, die die KI erhalten hat, werden wir Modelle erstellen, um Hypothesen über die neuen Materialien zu formulieren. Schließlich werden wir die Herstellung und Prüfung dieser Materialien mit Hilfe von Cloud-Technologien automatisieren. Die gesamte Arbeit von IBM in den Bereichen Quanten-, KI-, Hochleistungsrechnen und Hybrid-Cloud wird dazu beitragen, alle diese Schritte in der Materialforschung zu beschleunigen.

Chemische Reaktionen mit KI vorhersagen

Ein Beispiel: Das in der Cloud-betriebene Chemielabor RoboRXN, das es Forschern ermöglicht, neue Materialien zu kreieren, indem sie das Ergebnis chemischer Reaktionen mit Hilfe von KI vorhersagen. Materialien können damit 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ohne Unterbrechung und mit geringer Interaktion durch den Menschen synthetisiert werden. Wissenschaftler müssen dem System lediglich ein Molekül geben, das sie herstellen wollen. Die KI baut ein Schritt-für-Schritt-Rezept zusammen, eine Liste von Inhaltsstoffen inklusive.

Das frei verwendbare KI-Modell hinter RoboRXN wurde vor zwei Jahren zur Verfügung gestellt und hat bereits fast eine Million Reaktionen für Studierende, Lehrkräfte und Wissenschaftler vorhergesagt. Seit Anfang dieses Jahres verwenden IBM-Wissenschaftler auf der ganzen Welt RoboRXN zur Synthese von Materialien für Kohlenstoffabscheidung, Fotolacke und antivirale Wirkstoffe. Demnächst wird das System an die Arbeit gehen, Materialien für die Stickstofffixierung zu erzeugen und damit ein Thema unserer diesjährigen 5 in 5 angehen.

Mit seiner Hilfe konnten Forscher in unserem Forschungszentrum im US-Bundesstaat New York eine Synthesereaktion durchführen, die über die Cloud zum 6.000 Kilometer entfernten RoboRXN-Labor in Zürich geschickt wurde, um zu versuchen, ein Zielmolekül für ein neues Material zur CO2-Erfassung zu erzeugen. RoboRXN analysierte die resultierenden Moleküle, die über Nacht synthetisiert und dann zur weiteren Analyse weiter an unser Forschungslabor in Almaden in der Nähe von San Francisco geschickt wurden.

Im Moment synthetisieren Forscher weitere Moleküle, um die Fähigkeiten von RoboRXN zu testen. Langfristiges Ziel dieses Materialforschungsprojektes ist es, Moleküle aus den KI-gesteuerten Systemen, die neue Materialien vorhersagen, zu nehmen, sie völlig autonom zu synthetisieren und zu testen.

Stellen wir uns jetzt nicht nur ein RoboRXN vor, sondern eine ganze Reihe von ihnen, die über die Cloud Anweisungen von Chemikern und Materialwissenschaftlern aus der ganzen Welt erhält. Damit wird nicht nur der Entdeckungsvorgang, sondern auch die Generierung von Ideen in großem Maßstab beschleunigt.

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Kunststoffe ohne Petrochemikalien: IBM unterstützt Industriepartner

Das alles bedeutet nicht, dass IBM in die Materialforschung oder die Produktion einsteigt. Unsere Experten konzentrieren sich wie gesagt darauf, die notwendigen Prozesse zu entwickeln, um die Entdeckung beschleunigen, und unseren Kunden und Mitarbeitern dabei zu helfen, sie anzuwenden. Eine der früheren 5-in-5-Vorhersagen von IBM bietet einen guten Entwurf dafür, wie dies erreicht werden kann.

Für das Jahr 2019 prognostizierte IBM, dass in den nächsten fünf Jahren weltweit Fortschritte beim Kunststoffrecycling wie VolCat eingeführt werden könnten, um den globalen Kunststoffabfall zu bekämpfen. VolCat verwendet einen organischen Katalysator, um den gebräuchlichsten Haushaltskunststoff – Polyethylenterephthalat (PET) – selektiv wieder in seine Monomer-Bestandteile zu zerlegen. Nach der Reinigung kann das Monomer leicht repolymerisiert werden, um neues PET zu bilden.

Wir planen aktuell die Kommerzialisierung des VolCat-Kunststoffrecyclingprozesses und planen gemeinsam mit einem Industriepartner eine Pilotanlage zu entwerfen, zu bauen und zu betreiben, um die Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit des VolCat-Verfahrens nachzuweisen. Im Erfolgsfall würde diese Arbeit in Produktionsanlagen auf der ganzen Welt fortgesetzt und die Hersteller in die Lage versetzen, aus den resultierenden Monomeren Kunststoffe, Fasern oder Folien herzustellen, ohne neue Kunststoffe aus Petrochemikalien herstellen zu müssen.

IBM’s 5 in 5 zeigen, was möglich ist, wenn ein wissenschaftlicher Ansatz angewandt wird, um neue Methoden und Lösungen für die Herausforderungen der Welt zu finden. Die Welt braucht die Wissenschaft mehr denn je, und mit ihr können wir den Unsicherheiten von heute begegnen, um den Fortschritt von morgen zu realisieren.

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