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Quantum Computing entwickelt sich zu einem neuen Paradigma in der Informationstechnologie. Während klassische Rechner Informationen in Form Bits (entweder Nullen oder Einsen) nacheinander...
Quantum Computing entwickelt sich zu einem neuen Paradigma in der Informationstechnologie. Während klassische Rechner Informationen in Form Bits (entweder Nullen oder Einsen) nacheinander verarbeiten, rechnen Quantencomputer mit sogenannten Qubits, die alle Kombinationen von Nullen und Einsen gleichzeitig darstellen können. Durch diesen ‘Quantenparallelismus’ genannten Effekt kann der Quantenrechner mit einem Rechenschritt (einem sogenanntem Quanten-Gatter) auf allen Kombinationen gleichzeitig rechnen, was ihn theoretisch exponentiell schneller macht als einen klassischen Rechner. Je mehr Qubits zur Verfügung stehen, umso deutlicher fällt dieser Vorteil ins Gewicht.
In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die Anzahl der Qubits auf einem System noch nicht alles über seine Leistungsfähigkeit aussagt. Wir bei IBM nutzen deshalb auch Messgrößen wie Quantumvolumen – einen Indikator, der die Anzahl der Qubits ins Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit des Systems setzt, diese auch effizient für Rechenschritte zu nutzen.
Um aber zu zeigen, wie dynamisch die Entwicklung bei Quantencomputern aktuell voranschreitet, ist die Anzahl der Qubits pro System ein guter Indikator.
Quantensysteme mit ein paar Qubits können heute nur etwa so viel Information verarbeiten wie ein klassischer 512-Bit-Computer. Da die Leistungsfähigkeit der Systeme aber im Idealfall durch das Hinzufügen von Qubits wie erwähnt exponentiell wächst, verschiebt sich das Kräfteverhältnis sehr schnell zu Ungunsten klassischer Computer. Bei perfekter Stabilität könnten Quantenrechner mit 300 Qubits in der Lage sein, mehr Datenwerte zu repräsentieren als es Atome im beobachtbaren Universum gibt. Das geht weit über die Fähigkeiten einer beliebigen Bit-basierten IT-Architektur hinaus und eröffnet Möglichkeiten für die Lösung und Darstellung hochkomplexer Probleme und Simulationen.
IBM wird 2021 einen quantenbasierten Prozessor vorstellen, der 127 Qubits umfasst, gefolgt von einem Prozessor mit 433 Qubits und schließlich einem Prozessor namens Condor, der 2023 mit 1121 Qubits verfügbar sein wird und das Tor für ein zukünftiges Netzwerk von Quantenrechnern weit aufstoßen kann.
Nicht nur für Physiker
Die Hardware der Quantenrechner steht also vielerorts im Mittelpunkt, da hierdurch erst die Voraussetzungen für deren Nutzung geschaffen werden. Das ist auch in einigen Hochschulen der Fall, wo Quantum Computing in der Regel als ein Teilgebiet der Physik aufgegriffen wurde und hier neben der Forschung auch teilweise Einzug in die Lehre gefunden hat. Je weiter aber sich die Studiengänge von der Hardware entfernen, umso seltener sind Bemühungen festzustellen, das Thema aufzugreifen. Nur vereinzelt gibt es beispielsweise Angebote in der Informatik für Studierende. In der Wirtschaftsinformatik ist das Thema noch weitgehend unbekannt. Das ist sehr verständlich, da Quantum Computing den meisten Menschen erst einmal sperrig erscheint und zudem konkrete Anwendungen und Vorteile in den Bereichen, in denen heute die klassische IT ihre Stärken ausspielt, erst in Umrissen erkennbar sind. Auf der anderen Seite zeigt das Beispiel Künstliche Intelligenz, dass es sehr schnell gehen kann, wenn ein lange übersehenes erst einmal Thema mit Wucht in den Unternehmen und Institutionen ankommt. Die Dynamik im Bereich der Hardware von Quantencomputern zeigt jedenfalls eine Menge Momentum, das dem bei KI vor einigen Jahren in nichts nachsteht. Es legt Studierenden – und Dozenten – in vielen Studiengängen, in denen IT eine Rolle spielt, nahe, sich damit frühzeitig auseinanderzusetzen.
Ein Beispiel – Digital Innovation Challenge der GI
Die ersten Berührungen auf diesem Feld können auch ohne große Vorbereitungen und sogar spielerisch erfolgen. Das zeigt ein schönes Beispiel anlässlich der 50. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik (GI), die im September stattgefunden hat. Die GI hatte Studierende aufgerufen, an einer ‘Digital Innovation Challenge’ teilzunehmen und innerhalb von 24 Stunden Aufgaben zu bearbeiten, die von verschiedenen Industriepartnern gestellt werden durften. Zwei der insgesamt 12 Teams entschieden sich für die IBM Aufgabe ‘Quantum Computing mit Qiskit’, die darin bestand, ein Spiel für einen Quantenrechner zu programmieren. Obwohl sie keine Vorkenntnisse zum Thema hatten, konnte ein Team von Informatik-Studierenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) den ersten Preis des Wettbewerbs aus den Händen der Jury entgegennehmen.
Die Studierenden entwickelten ein Kartenspiel auf Basis eines Registers mit drei Qubits. Die Spieler bekommen dabei die Aufgabe, den Zustand der Qubits reihum durch geschickte Wahl ihrer Karten (Quanten-Gatter) in einen bestimmten Endzustand zu bringen. Der Spieler hat gewonnen, dem es gelingt, seinem Ziel am nächsten zu kommen, wenn alle Karten ausgespielt sind.
Julia Butte, Informatik-Studentin am KIT und Teil des Siegerteams sagte danach: „Die größte Herausforderung für uns bestand darin, sich unter Zeitdruck in die Funktionsweise von Quantencomputern und in Qiskit einzuarbeiten.”
Informatik-Student Sebastian Weber erklärt: „Wir mussten in die Programmiersprache Python und das Framework Qiskit, welche für uns neu waren, einsteigen. Die Dokumentation von Qiskit und die IBM Quantum Experience haben uns dabei sehr geholfen.“
Sein Zwillingsbruder Thomas ergänzt: „Wir haben uns für die Quantum Computing Challenge entschieden, weil uns das Thema als Zukunft der Informatik sehr interessiert. Besonders gereizt hat uns die für uns neue Technologie des Quantencomputers in Verbindung mit der Programmiersprache Python zu erlernen und dabei in 24 Stunden ein lauffähiges Spiel zu programmieren. Unter diesen Umständen eine gute Balance zwischen dem Erfassen der Theorie und gleichzeitig der Anwendung in der Praxis finden zu müssen, war besonders spannend.“
Quantenrechner: Anwendungen rücken in den Vordergrund
Das Beispiel zeigt: Man muss nicht die Quantentheorie in der Gänze durchdringen, um sie anzuwenden. Für Anwender gibt es Programmierwerkzeuge und Schnittstellen zu etablierten Modellen und einen Open-Source-Ansatz, der unabhängig von der spezifischen Hardware genutzt werden kann. Das erleichtert die Erstellung von neuen Anwendungen und sichert zukünftige Weiterentwicklungen für Quantum Computing besser ab. Studierende, die heute Qiskit und Python lernen, dürften davon noch längere Zeit profitieren. Dennoch fallen damit neue Anwendungen in Medizin, Natur-, Finanz- oder auch Betriebswissenschaften nicht automatisch vom Himmel. Die Entwicklung von Algorithmen, die die exponentiellen Möglichkeiten des Quantenrechners ausnutzen und beispielsweise Simulationen oder Optimierungen entsprechend verbessern, muss damit Hand in Hand gehen. In der Kombination aber entsteht gerade ein machtvolles Instrumentarium, das man als Studierender unbedingt kennenlernen sollte.