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Die Zukunft der Lieferkette: Mit dem Tech-Trio Blockchain, IoT und KI
By | Associate Partner, IBM Consulting Blockchain Practice Leader Switzerland
November 04, 2021

Wir erinnern uns an die Blockade des Suez-Kanals im vergangenen Frühjahr: Die dadurch ausgelösten Verwerfungen und Rückstaus machten noch einmal deutlich, dass es in unserem vernetzten und...

Wir erinnern uns an die Blockade des Suez-Kanals im vergangenen Frühjahr: Die dadurch ausgelösten Verwerfungen und Rückstaus machten noch einmal deutlich, dass es in unserem vernetzten und komplexen Welthandel keine Pandemie braucht, um Engpässe in der Lieferkette auszulösen. Ein technisches Problem an einem der wichtigsten Knotenpunkte reicht aus. Technologische Innovationen können die Lieferkette gegen solche unvorhersehbaren Ereignisse wappnen. Und für die Unternehmen ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um die Erfahrungen des vergangenen Extremjahres und den entstandenen Digitalisierungsschub zu nutzen, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren: Durch mehr Agilität, Flexibilität und eine bessere Planbarkeit: Auch bei unvorhersehbaren Ereignissen. Die Schlüssel-Technologien dafür sind Blockchain, das Internet der Dinge (IoT) und Künstliche Intelligenz (KI). Wo sie schon jetzt im Einsatz sind und wie sie die Lieferkette in die Zukunft führen, lesen Sie hier.

Ein Tech-Trio mit Potential

Wieso ist gerade jetzt so ein guter Zeitpunkt, um in die Digitalisierung einzusteigen oder sie weiter voranzutreiben? Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: der Stand der Technik und die Bezahlbarkeit. Die vergleichsweise „neuen“ Technologien wie Blockchain, IoT und KI sind inzwischen auf einem Entwicklungsstand, der ihren Einsatz mehr als rechtfertigt und sie haben auch den Praxistest bereits bestanden. Im Bereich des Lieferkettenmanagements zeigt das beispielsweise die von Maersk und IBM entwickelte Blockchain-Plattform TradeLens, die inzwischen über 170 Mitglieder und mehr als 600 Häfen & Terminals weltweit vereint. Dazu gehören auch Logistikunternehmen, Zollbehörden und Finanzdienstleister, die über die Plattform unter anderem Rechnungen, Frachtbriefe und Zolldokumente untereinander digital austauschen. Das sorgt für eine schnellere und sicherere Abwicklung, schafft Transparenz, erhöht die Datenqualität und bietet ein erhebliches Sparpotential. Unternehmen jeder Größe können sich der Plattform anschließen. Sie steigen damit in ein bestehendes Ökosystem ein und profitieren von den Erfahrungen der digitalen Vorreiter. Und da sie die teilweise aufwendigen Entwicklungsjahre bereits hinter sich haben, sind diese Lösungen zudem absolut bezahlbar – auch für Mittelständler.

Und nicht nur das: sie bieten auch für künftige Entwicklungen enorme Potentiale – einzeln und im Zusammenspiel:

Blockchain – die Technologie hat mehrfach gezeigt, was in Sachen Transparenz und Sicherheit in der Lieferkette möglich ist. Ein Beispiel dafür ist u.a. IBM Food Trust, eine Plattform zur Rückverfolgung von Lebensmitteln, die IBM gemeinsam mit Walmart entwickelt hat. IBM FoodTrust ist ein kooperatives Netzwerk von Landwirten, verarbeitenden Unternehmen, Großhändlern, Herstellern, Einzelhändlern und anderen Beteiligten, das die Transparenz und Verantwortlichkeit in der gesamten Lebensmittellieferkette verbessert. Über die Plattform können zum Beispiel jederzeit Standort und Status von Lebensmitteln verfolgt und Rückrufaktionen sehr viel schneller, zielgerichteter und damit effizienter umgesetzt werden. Auch in der Textilindustrie finden sich Beispiele für Blockchain-Lösungen: Die Plattform textile trust, die IBM gemeinsam mit dem Textilunternehmen KAYA&KATO in einem ersten Prototypen entwickelt hat, ermöglicht es Kunden, Herstellern, Zulieferern und Partnern, die Herkunft und Verarbeitung eines Kleidungsstückes in jedem Produktions- und Prozessschritt nachzuverfolgen. Damit wird die vollständige Transparenz und Rückverfolgbarkeit vom Rohstoff bis zum fertigen Endprodukt gewährleistet und Nachhaltigkeitsaspekte wie auch die Anforderungen des neuen Lieferkettengesetzes können gezielt adressiert werden.

Internet of Things (IoT) – das Internet of Things vernetzt physische und virtuelle Gegenstände und wird künftig gemeinsam mit intelligenten KI-Prozessen für viele richtungsweisende Entwicklungen maßgeblich verantwortlich sein – unter anderem, wenn es um den Einsatz von Sensoren geht, mit denen sich weitere, wichtige „sources of data“ für die Blockchain und ihre verschiedenen Anwendungsfälle erschließen lassen.

Künstliche Intelligenz (KI) – vor allem bei der Analyse von großen Datenmengen und den daraus abzuleitenden Handlungsempfehlungen spielt KI eine wichtige Rolle und ist damit die ideale Ergänzung, um unter anderem die Vielzahl von (teilweise neuen) Daten, die über IoT gewonnen und dann auf der Blockchain abgelegt werden, zu analysieren und damit weitere Mehrwerte für die jeweiligen Unternehmen und das gesamte Öko-System zu generieren.

Durch die Kombination von Blockchain, IoT und KI können Transparenz, Verfügbarkeit und Effizienz in einer Lieferkette deutlich erhöht werden. Durch die Mechanismen einer „Private Blockchain“, über die den Teilnehmern u.a. bekannt ist, wer welche Daten auf der Plattform – in nahezu Echtzeit – mit den anderen teilt. Durch Verschlüsselung, klar definierte Schreib- und vor allem auch Leserechte und die Unverfälschbarkeit der Informationen, entsteht eine wesentlich vertrauensvollere, intensivere und damit effizientere Kommunikation und Zusammenarbeit. Dazu tragen auch die sogenannten „Smart Contracts“ bei. Das sind kleine, regelbasierte Programme, über deren Einsatz in einer Blockchain verschiedene Prozessschritte automatisch initiiert bzw. ausgeführt werden können. Wird also zum Beispiel eine vorher definierte Aufgabe als abgeschlossen erkannt (zum Beispiel: Container aufgeliefert), kann der Smart Contract automatisch die entsprechende Bezahlung auslösen. Das Tech-Trio kann aber noch mehr: die Kombination von KI und Blockchain erhöht für IoT-Technologien den Schutz der Daten und erschwert das Hacken von Geräten und/oder das Fälschen von Produkten.

Blockchain und Co im Einsatz

Wie das Zusammenspiel der Technologien in der Praxis funktioniert, zeigt unter anderem ein Beispiel aus der Lebensmittelindustrie: Golden State Foods (GSF) ist ein US-amerikanisches Unternehmen und einer der größten Zutatenlieferanten für die dortige Lebensmittelindustrie. Das Unternehmen liefert unter anderem Burger-Patties an Schnellrestaurants – und zwar dank Blockchain, Sensorik und IoT mittlerweile frisch und nicht mehr gefroren.

 

The Extra Mile: Golden State Foods Reimagines the Beef Supply Chain

Mit technologischer Unterstützung ist GSF in der Lage, den Weg des Rindfleisches zu kontrollieren, vom Bauernhof bis zu dem Moment, an dem es im Restaurant auf den Grill gelegt wird. Die Lösung kombiniert Radiofrequenz-Identifikation (RFID) zur automatischen Verfolgung der Bewegung des Rindfleischs, IoT-Geräte zur Überwachung der Temperatur und Blockchain-Technologie zur Orchestrierung der Regularien zwischen den Parteien. Über RFID-Tags an Kartons und Paletten kann jede Bewegung der hergestellten Patties verfolgt werden. Ob Produktionsstätte, Kühlung, Verteilzentrum, LKW oder Restaurant – der Standort eines Kartons erschließt sich mit einem Blick. Während des gesamten Prozesses wird zudem die Temperatur der Patties lückenlos überwacht, um die Qualität gemäß den hohen Anforderungen der Kunden zu sichern. Durch die erfassten und in nahezu Echtzeit zur Verfügung stehenden Informationen zur Menge der gelieferten Patties und deren Verbrauch, kann GSF den Restaurants jederzeit rechtzeitig die benötigte Ware liefern: das richtige Produkt ist zur richtigen Zeit am richtigen Platz. Dadurch wird der Lagerbestand in der gesamten Lieferkette optimiert. Und auch die Lebensmittelverschwendung durch zu viel produzierte oder nicht fachgerecht gelagerte Ware kann so signifikant reduziert, in Teilen sogar vermieden werden.

Einbindung von Sensoren

Zu jeder Zeit zu wissen, wo und in welchem Zustand sich die Ware befindet, wird in Zukunft mehr denn je der Schlüssel zu einer effizienten und flexiblen Lieferkette sein. Technologien wie Blockchain, IoT und KI greifen dabei nahtlos ineinander. Über Sensoren an Containern für Produkte aus Übersee, die unterwegs reifen, lassen sich beispielsweise die Rahmenbedingungen für die Reifung kontrollieren. Geht unterwegs etwas schief, kann rechtzeitig eine Ersatzlieferung initiiert werden. Die Reedereien der TradeLens-Plattform haben bereits damit begonnen, ihre Kühlcontainer, die sogenannten Reefer-Container, mit Sensorik auszustatten. Ein so ausgestatteter Container kann sich dann zum Beispiel melden, kurz bevor er im Hamburger Hafen ankommt, damit sich der jeweilige LKW-Fahrer daraufhin rechtzeitig auf den Weg macht. Und das alles kann und wird über automatisierte Prozesse ablaufen, die über die Blockchain bzw. Smart Contracts initiiert und abgesichert sind.

Apropos Zukunft: Kryptoanker-Plattformen gegen Betrug

Da geht noch was: Das Thema Sicherheit ist für alle Branchen interessant – zum Beispiel, wenn es um Betrug, Verifizierung und Fälschungssicherheit geht. Fragen wie „Ist das ein Originalprodukt?“, „Ist diese Mango wirklich glyphosatfrei?“ oder „Wurde dieser Karton unterwegs geöffnet?“ lassen sich normalerweise nicht so einfach beantworten. Aber auch dafür bietet das Tech-Trio Lösungen.

Aus der Arbeit mit Blockchain-Plattformen hat sich bei IBM das Modul BTS (Blockchain Transparent Supply) entwickelt, eine Blockchain-basierte Grundfunktion für die Nachverfolgung. Ursprünglich das Herzstück für Blockchain-Plattformen wie Food Trust und Farmer Connect, wird es inzwischen zu einer Lösung für verschiedene Branchen ausgebaut. Das BTS Basismodul wird dazu vom IBM Research Lab in Rüschlikon/Schweiz u.a. mit einer Kryptoanker-Plattform verbunden, auf der sich Unternehmen zusammenfinden, die Technologien zur Produktauthentifizierung, zum Markenschutz und zur Fälschungssicherheit entwickeln.

Farmer Connect + IBM

Kryptoanker und Unique Identifier (UID)

Was ist ein Kryptoanker? Sowohl für den Echtheitsnachweis als auch für die Nachverfolgung eines Produkts ist eine enge Verknüpfung zwischen dem physischen Objekt und seiner digitalen Darstellung wichtig. Normalerweise wird ein Objekt mit einem digitalen Datensatz durch einen sogenannten Unique Identifier (UID) verbunden, der für ein einzelnes Objekt oder auch eine Klasse von Objekten (Modell, Charge, Produktionsstandort, Hersteller etc.) steht. Der UID wird dabei auf das Objekt oder seine Verpackung gedruckt, eingeprägt oder als Etikett angebracht. Viele dieser Identifikatoren lassen sich allerdings leicht kopieren oder auf einen Klon des Objekts übertragen. Ein Kryptoanker bindet dagegen eine UID an das physische Objekt mit einer Eigenschaft des Objekts, die schwer zu klonen, zu fälschen und auf ein anderes Objekt zu übertragen ist. Eine solche Eigenschaft dient als Quelle der Authentizität. Die Eigenschaft kann dem Objekt inhärent oder auch unveränderlich angebracht sein, beispielsweise mit einem starken Klebstoff oder auf eine Weise, die die Eigenschaft, das Objekt selbst oder eine Funktionalität zerstört, wenn sie entfernt wird. Die Blockchain-basierte Kryptoanker-Plattform von IBM integriert Kryptoanker-Anbieter, bietet Interoperabilität zwischen deren Technologien und unterstützt die Anwendungsentwicklung. Die Anwendungen reichen dabei von nachhaltiger Beschaffung bis hin zu optimiertem Supply-Chain-Management oder Initiativen zur Verbraucherbindung. Die Lösungen, die dort entstehen, werden die Frage zur Echtheit eines Produktes oder zur Nachverfolgung transparent und nachvollziehbar beantworten.

IBM Crypto-Anchor Platform

Fazit: Die Zukunft der Lieferkette digitalisiert sich immer schneller

In der Studie „SCM2040 – Wie verändert sich die Logistik in der Zukunft“ des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) machen die Experten fünf wesentliche Faktoren aus, die das Lieferkettenmanagement bis 2040 ändern werden: Nachhaltigkeit und Social Responsibility, Digitalisierung, Urbanisierung, Schnelllebigkeit und Flexibilität. Alle diese Faktoren lassen sich durch Blockchain-, IoT- und KI-Lösungen positiv beeinflussen und technologisch unterstützen. Umso mehr, als diese Technologien künftig noch sehr viel mehr Anwendungsmöglichkeiten bieten werden als bisher. Bereits jetzt lohnt sich der Einstieg, in Zukunft sind sie in der Lieferkette unverzichtbar.

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