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Die 13-jährige Tochter eines Freundes, die meinen Arbeitsplatz – das IBM-Forschungslabor in Zürich – besuchte, schien verblüfft. Sie wusste, dass ich in einem Forschungslabor und mit...
Die 13-jährige Tochter eines Freundes, die meinen Arbeitsplatz – das IBM-Forschungslabor in Zürich – besuchte, schien verblüfft. Sie wusste, dass ich in einem Forschungslabor und mit Computern arbeite, aber die Computer, die sie kennt, ähneln normalerweise nicht dem „Kronleuchter-artigen“ Gebilde, das vor uns von der Decke hing. Dennoch ist es ein Computer – ein Quantencomputer. Natürlich kann man heute nicht voraussetzen, dass ein Teenager weiß, wie ein Quantencomputer aussieht. Aber ich hoffe, das ändert sich bald und Quantencomputer werden Teil der Bildung kommender Generationen.
Die Quantencomputing-Technologie reift schnell und wir stehen am Rande einer technologischen Revolution. Quantencomputer arbeiten mit Qubits statt mit den viel bekannteren Binärziffern oder Bits. Und während die Bits in unserer aktuellen Elektronik nur den Wert 0 oder 1 haben können, kann ein Qubit beide Werte gleichzeitig sein. Ähnlich einer Münze, die sowohl Kopf als auch Zahl anzeigen kann, solange sie beim Wurf durch die Luft fliegt. Was es dann wird – Kopf oder Zahl – entscheidet sich erst, wenn die Münze landet. So legen sich auch Qubits erst während der ihrer Messung auf einen Wert 1 oder 0 fest. Unter anderem dank dieser Eigenschaft können Quantencomputer schnellere und präzisere Berechnungen durchführen als klassische Computer.
Deshalb eignen sie sich besonders gut für Aufgaben, die auf Wahrscheinlichkeiten und Optimierung beruhen, wie zum Beispiel die Schaffung eines neuen komplexen Moleküls, um ein Material mit bestimmten Eigenschaften zu entwickeln. Es kann unzählige verschiedene Anordnungen von Atomen geben, um ein Molekül zu bilden, und es ist unglaublich schwierig, die richtigen zu finden. Mit Hilfe eines Quantencomputer können schnell alle Möglichkeiten durchgerechnet werden, um die wahrscheinlichsten Fälle zu identifizieren.
Beschleunigung in Richtung Zukunft
Bemerkenswert schnelle und genaue Molekularsimulationen zu erstellen, macht Quantencomputer zu einem entscheidenden Werkzeug bei der Entdeckung neuer Materialien – von neuen Medikamenten über neuartige Sonnenkollektoren bis hin zu Polymeren. Tatsächlich werden Quantencomputer voraussichtlich innerhalb weniger Jahre den sogenannten „Quantenvorteil“ erzielen können – also bei einer konkreten, praktischen Aufgabe herkömmlichen Computern überlegen sein.
Die Frage ist aber: Wird die Welt für diese Maschinen bereit sein, sobald sie diese wichtige Schwelle erreicht haben? Werden Unternehmen wissen, wie ihnen ein Quantencomputer helfen könnte? Werden Hochschulabsolvent_innen der Informatik einen Quantenalgorithmus erstellen können? Und wird die notwendige Infrastruktur vorhanden sein, um Hunderte oder sogar Tausende dieser neuen Maschinen zu unterstützen?
“Wir müssen die Welt heute quantentauglich machen, indem wir uns auf Bildung und Personalentwicklung konzentrieren.”
Alessandro Curioni, IBM
Wenn wir schon in ein paar Jahren einen Quantenvorteil erreichen würden, wäre die Antwort auf all diese Fragen „nein“. Wir stehen noch immer am Anfang unserer Quantenreise. Bis aber die ganze Welt anfängt, sich auf diese Computer zu verlassen, werden wir einen Punkt erreicht haben, an dem die Nutzer_innen die Quantenprogrammierung überhaupt nicht mehr kennen müssen. Sie wählen einfach den richtigen Algorithmus aus einer Quanten-App-Bibliothek aus und dieser entfaltet seine Quantenmagie im Hintergrund.
Aber das ist die Zukunft. Um dorthin zu gelangen, müssen wir die Welt heute auf die Nutzung von Quantencomputern vorbereiten, indem wir uns auf die akademische Ausbildung und Weiterbildung in den Unternehmen konzentrieren.
Quantencomputer in der Bildung und darüber hinaus
Kinder sollten heute im Rahmen ihrer schulischen Bildung etwas über Quantencomputer lernen. Bevor sie sich für ihren Berufsweg entscheiden, sollten junge Menschen lernen, was diese aufstrebende Technologie branchenübergreifend leisten kann: Dazu gehören Materialforschung, Arzneimittelentwicklung, Finanzen, Weltraumforschung und sogar die Herstellung der nächsten Smartphone-Generationen.
Über die Schule hinaus sollte die Quantencomputing-Ausbildung zudem vielfältiger sein als heute. Um sicherzustellen, dass wir genügend Talente ausgebildet haben, um neue Quantenalgorithmen zu entwickeln und die Soft- und Hardware weiter zu verbessern, müssen wir Quantencomputerkurse für ein viel breiteres Spektrum von Studierenden und für diejenigen anbieten, die eine Ausbildung und andere kürzere Abschlüsse und Zertifikate anstreben. Wir müssen Unternehmen und Organisationen heute auch dazu ermutigen, mehr Mitarbeiter_innen quantenfähig zu machen.
Es gibt bereits erste Bemühungen, sowohl Studierende als auch die vorhandene Belegschaft auszubilden, aber es sollte noch mehr geben. Weltweit bieten nur wenige Universitäten Kurse zur Quantenprogrammierung an. Diese Bildungslücke könnte die Entwicklung einer quantenfähigen Belegschaft ernsthaft beeinträchtigen.
Ausbildungsansätze
Die US-Regierung hat eine Initiative gestartet, um Highschool-Schüler_innen für Quanteninformatik und Quantencomputing zu interessieren. Die Bemühungen, die als National Q-12 Education Partnership bezeichnet werden, vereinen 15 führende Akteure aus Industrie und Wissenschaft, die sich für Quantenforschung einsetzen. Die Initiative wird vom Büro für Wissenschafts- und Technologiepolitik des Weißen Hauses und der National Science Foundation (NSF) unterstützt. Letztere hat bereits fast 1 Million US-Dollar für verschiedene Bildungsmaßnahmen in der Quanteninformationswissenschaft (QIS) zugesagt, einschließlich des Q2Work-Programms, um QIS-Ressourcen in die Klassenzimmer zu bringen.
Obwohl es weltweit nur eine kleine Anzahl physischer Quantencomputer gibt – darunter IBM-Systeme in Japan und Deutschland sowie bald auch in Kanada und an der Cleveland Clinic in den USA – sind sie alle über die IBM Cloud zugänglich. Das bedeutet, dass jeder aus Wissenschaft oder Industrie überall auf der Welt auf einen Quantencomputer zugreifen kann, um die Grundlagen der Quantenprogrammierung zu erlernen.
Bei IBM gibt es beispielsweise mehrere quantenfokussierte Bildungsprogramme, die den Zugang zu Quantencomputern, Unterrichtsunterstützung, Sommerschulen und Hackathons umfassen. Dazu gehören Qiskit, Qubit by Qubit’s Introduction to Quantum Computing in Partnerschaft mit The Coding School und das Quantum Educators-Programm, das Lehrern und Schülern Zugang zu IBM-Quantensystemen über die Cloud verschafft.
Solche Bemühungen sind wichtig. Schulen und Universitäten weltweit müssen die Lücke in der Quantenbildung gemeinsam schließen und die nächste Generation von Talenten schon in jungen Jahren auf Quantenkurs bringen. Deshalb planen IBM und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) eine neue Kooperation.
Aufbau einer quantenfähigen Belegschaft
Bei der Bildung von Erwachsenen investieren derzeit nur wenige Unternehmen in die Entwicklung eines Verständnisses für Quantentechnologien. Angesichts der Tatsache, dass Quantencomputer Unternehmen einen Vorteil verschaffen können, sollten viele weitere nachziehen – sei es ein Pharmaunternehmen, das nach neuen Medikamenten sucht, oder ein Unternehmen für erneuerbare Energien, das versucht, effizientere Materialien für Solarmodule herzustellen.
Die heutige Forschung sollte uns bald in diese Zukunft bringen. Aber damit die Welt das volle Potenzial des Quantencomputing wirklich ausschöpfen kann, müssen wir uns auf Bildung und Personalentwicklung konzentrieren. Und wir müssen es jetzt tun.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch im World Economic Forum.