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Es ist über anderthalb Jahre her, dass die Richtlinie der Europäischen Union über die Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) in Kraft...
Es ist gut anderthalb Jahre her, dass die Richtlinie der Europäischen Union über die Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) in Kraft getreten ist. Zudem gelten mittlerweile auch die begleitenden europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS), die alle in der EU tätigen Großunternehmen zu erweiterten Nachhaltigkeitsangaben verpflichten.
Die erste Unternehmensgruppe wird bereits für das Geschäftsjahr 2024 über die CSRD Bericht erstatten müssen. In Deutschland gilt das zunächst nur für große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitskräften. In den nachfolgenden Geschäftsjahren werden bis 2028 stufenweise weitere Gruppen von Unternehmen einbezogen. Von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung werden schätzungsweise rund 14.600 deutsche Unternehmen betroffen sein.
Unsicherheitsfaktoren bei der Umsetzung
Mittlerweile wird immer deutlicher, dass viele Unternehmen nach wie vor unsicher sind, wie groß die vor ihnen liegende Herausforderung ist. Doch woran liegt das? Daten weisen darauf hin, dass viele Unternehmen insbesondere mit der in den Vorschriften geforderten Detailgenauigkeit zu kämpfen haben. Untersuchungen von Baker Tilly zeigen, dass 88 % der dafür befragten europäischen Unternehmen sich noch nicht in der Lage sehen, die Erwartungen der CSRD-Richtlinie zu erfüllen. 57 % glauben, dass sie nur wenig oder gar nichts über die neuen ESG-Berichtspflichten wissen, die sich aus der CSRD ergeben. Und das trotz der von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelten Leitlinien.
Ein weiterer Unsicherheitsbereich betrifft die Folgen der Nichteinhaltung – und zwar nicht nur auf einer, sondern auf zwei Ebenen. Was genau riskiert ein Unternehmen, wenn es die neuen Berichtserstattungspflichten nicht erfüllt? Die Richtlinie besagt, dass die Sanktionen für die Nichteinhaltung der CSRD von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage der jeweiligen nationalen Gesetze festgelegt werden. Was passiert also mit Unternehmen, wenn sie ihre Nachhaltigkeitsziele nicht erreichen und es ihnen nicht gelingt, die Wirkung von CSRD zu steigern? In einigen Ländern wie Deutschland können Geldbußen von bis zu 10 Millionen Euro verhängt werden. In einigen Fällen sogar bis zu 5 % des Jahresumsatzes eines Unternehmens. Die Strafen werden von Land zu Land und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein und stellen einen weiteren Unsicherheitsfaktor bei der Umsetzung der Richtlinie dar. Die Frage steht daher im Raum, ob die Unternehmen, die Zweifel haben, ihren ESG-Berichtspflichten nachkommen zu können, demnächst in enorme Schwierigkeiten geraten werden oder welche Maßnahmen sie jetzt noch ergreifen können, bevor es zu spät ist.
Welche Herausforderungen gibt es?
Für viele ist der breite Anwendungsbereich der Richtlinie die erste große Herausforderung. Mit der CSRD werden die Berichtspflichten der Unternehmen über ihre eigenen Tätigkeiten hinaus auf die Nachhaltigkeitsauswirkungen ihrer gesamten Wertschöpfungskette ausgeweitet, d. h. auch auf Zulieferer, Händler und Kunden.
Um diese Anforderungen zu erfüllen, müssen die Unternehmen große Datenmengen von ihren Geschäftspartnern in der Lieferkette sammeln und konsolidieren – eine große Herausforderung für diejenigen, die nur wenig Einblick in die ökologischen und sozialen Praktiken innerhalb ihrer Wertschöpfungskette haben. Dies könnte dazu führen, dass viele Unternehmen ihre Lieferketten völlig neu überdenken müssen.
Eine zweite Herausforderung ergibt sich aus der Vorgabe der Verordnung, dass einige der Berichtsdaten auf schlüssigen, wissenschaftlich-fundierten Beweisen beruhen müssen. Diese Forderung nach Zielvorgaben macht eine zukunftsorientierte Berichterstattung besonders schwer. Sie wird viele Unternehmen dazu zwingen, in komplexe neue Lösungen zu investieren, einschließlich Szenariomodellierung und Analytik. Zum Beispiel sind die betreffenden Unternehmen verpflichtet, alle Angaben zu den ESG-Kennzahlen und zum Nachhaltigkeitsstatus vollständig überprüfbar zu machen, damit sie der CSRD und den Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entsprechen.
Was können Unternehmen tun?
Damit kommen wir zu den Kenntnissen und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um die komplexen Anforderungen an die Berichterstattung zu erfüllen und um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen: Für eine erfolgreiche Umsetzung sollten die Verantwortlichen über einschlägige ESG- und Nachhaltigkeitskompetenzen verfügen und in der Lage sein, komplexe Daten zu verwalten und zu interpretieren. In Anbetracht des hohen Zeitdrucks unter dem viele Unternehmen arbeiten, bleibt allerdings oft zu wenig Zeit, um neue Mitarbeitende einzustellen. Alternativ könnten sie externe Berater zu Rate ziehen oder die im Betrieb vorhandenen Fähigkeiten mit den Anforderungen abgleichen und bei Bedarf ausbauen.
Ergänzend zu fachlichen Fähigkeiten benötigen die Unternehmen jedoch auch die richtigen Tools und Technologien, die ihnen dabei helfen, komplexe Daten zu verfolgen und zu verarbeiten, Fortschritte zu überwachen und eine breite Palette an Zielen zu verfolgen. Die geschilderten Herausforderungen erklären, warum bei vielen Panik ausbricht. Das lässt sie zu Lösungen greifen, die zwar zum Teil den aktuellen Bedarf an Daten abdecken, aber oft nicht die Detailtiefe bieten, die in den kommenden Jahren erforderlich ist. Um einen wahren Mehrwert zu erzielen, wäre für die Unternehmen vielmehr eine kontinuierliche Datenerfassung und -verwaltung wichtig. Es gibt bereits Lösungen, die sie hierbei unterstützen: Die IBM Envizi ESG Suite wurde speziell dafür entwickelt, um Unternehmen bei der Erfassung, Verwaltung und Analyse großer Mengen von ESG-Daten zu unterstützen und ihnen zu helfen, ihre CSRD-konformen Berichts- und Offenlegungspflichten zu erfüllen. Mit dem neuesten Update, das die ESRS-Fragen in die Plattform einbettet, können Kunden innerhalb eines einzigen Systems auf mehrere ESG-Rahmenbedingungen reagieren.
Vor dem Hintergrund der geschilderten Fragen und Herausforderungen sind wir bei IBM der Meinung, dass ESG- bzw. Nachhaltigkeitsverantwortliche, Führungskräfte sowie die Vorstandsebene die Vorbereitungen auf CSRD in vier entscheidenden Bereichen priorisieren sollten:
- Kompetenz und Entscheidungsfindung
Nicht nur viele Unternehmen müssen sich neue Kompetenzen und Praktiken zur Nachhaltigkeit aneignen. Auch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sollten sicherzustellen, dass sie über die notwendige Expertise verfügen, um eine Bewertung der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf „Finanzniveau“ vorzunehmen.
- Daten von Drittanbietern und Ökosystemen
Unternehmen können relevante ESG-Daten im gesamten Unternehmen und im Ökosystem der Partner besser beschaffen und verwalten, indem sie Leitlinien zur Einhaltung von Vorschriften herausgeben und Partner wie Zulieferer auffordern, die erforderliche Berichtsinfrastruktur entsprechend vorzubereiten.
- Digitale Technologie
CSRD erfordert vielseitige Daten. Die Unternehmen sollten eng mit den IT-Abteilungen zusammenarbeiten, um Lücken in der Datenerfassung und -verwaltung zu identifizieren. Sinnvoll ist es, in eine spezialisierte Unternehmensarchitektur für ESG zu investieren, um Lösungen bereitzustellen, die robuste ESG-Daten für die Berichterstellung und Offenlegung liefern.
- Prozess- und Geschäftsintegration
Die Einhaltung der CSRD erfordert ein funktionsübergreifendes Team, das den Berichterstattungsprozess beaufsichtigt und verwaltet. Wenn ein Unternehmen Mitarbeitende mit Kenntnissen in den Bereichen Nachhaltigkeitsberichterstattung, Datenmanagement, IT, Recht und Kommunikation – sowie ESG – rechtzeitig in diesen Prozess einbindet, kann das helfen, einen reibungslosen Start in die CSRD- Berichterstattung hinzulegen und ESG-Metriken in alle Funktionen einzubetten. Sind die dafür nötigen Fachkräfte im eigenen Betrieb nicht vorhanden, können natürlich auch Expert_innen oder Berater_innen von außen einbezogen werden.
Fazit
Bis zum Jahresende sind es noch knapp vier Monate. In Anbetracht der Tatsache, dass die erste Unternehmensgruppe europaweit bereits für das Geschäftsjahr 2024 über die CSRD Bericht erstatten muss, ist es unerlässlich, dass sich die Verantwortlichen für Nachhaltigkeit mit den genannten vier entscheidenden Bereichen befassen – so sie es noch nicht getan haben. Angesichts dieser bevorstehenden Frist war Klarheit und entschiedenes Handeln noch nie so wichtig wie heute. Doch auch unabhängig von der CSRD-Richtlinie ist es für Unternehmen wichtig, auf aktuelle Daten stetig, schnell und zuverlässig zugreifen zu können. Indem sie den Mehrwert und das Potenzial qualitativ hochwertiger Daten richtig erkennen und für ihre Entscheidungsfindung als Grundlage zu Rate ziehen, leisten sie nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Zukunft unseres Planeten, sondern positionieren sich selbst in den kommenden Jahren für einen besseren Geschäftserfolg.