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Vom Assistenten bis hin zur Überweisung – ein Praxisbericht über die Implementierung und den Einsatz von KI bei der 1822direkt sowie einen Ausblick auf künftige Einsatzmöglichkeiten. Von...
Vom Assistenten bis hin zur Überweisung – ein Praxisbericht über die Implementierung und den Einsatz von KI bei der 1822direkt sowie einen Ausblick auf künftige Einsatzmöglichkeiten.
Von Dominic Petermann, Principal Manager Banking & Financial Markets, IBM und Alexander Naumann, Bereichsleiter für Kundenservice und KI-Entwicklung, 1822direkt
Der Vertrieb von Finanzdienstleistungen gehört zu den personalintensivsten Branchen. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass im Finanzsektor einer der größten Produktivitätsschübe durch den Einsatz von KI erwartet wird. Großes Potenzial für eine Automatisierung bzw. Digitalisierung wird vor allem in der Kundenbetreuung gesehen. Die Kundenanfragen erstecken sich auf eine große Bandbreite von Themen: Egal, ob es um telefonische Überweisungen, falsch eingegebene Passwörter oder die Eröffnung von neuen Konten geht. Die Kundenbetreuer_innen stehen vor der Herausforderung, eine große Anzahl an Anfragen binnen kurzer Zeit zu beantworten und gleichzeitig einen enorm großen, sich immer wieder verändernden Wissensschatz parat zu haben. Gerade für neue Mitarbeiter_innen ist es eine große Herausforderung, sich in der Komplexität der unterschiedlichsten Produktbedingungen und Regularien umfassend auszukennen. Schließlich will kein Kunde warten, wenn erst die entsprechenden Informationen zur Beantwortung nachgeschlagen werden müssen.
Zweijähriges Projekt zur Neuausrichtung des Kundenservice und Integration einer KI
Um ihre Mitarbeiter_innen zu entlasten sowie das Kundenerlebnis zu verbessern, suchte die 1822direkt – die Online-Tochter der Frankfurter Sparkasse – nach einer technologie-basierten Lösung. Das Ziel war es, die Betreuung von über 500.000 Kunden_innen durch künstliche Intelligenz zu unterstützen und zu erweitern.
Partner bei der Umsetzung waren die FI-SP, Tochter der Finanz Informatik dem Digitalisierungspartner der S-Finanzgruppe, und IBM als Anbieter der benötigten KI-Pattformen. Die Anbindung war dabei keine triviale Aufgabe. Zur Beantwortung der Kundenanfragen oder der Durchführung von Transaktionen waren die verschiedenen Systeme wie TK-Anlage, Front- und Backend Services sowie die IBM-Cloud miteinander zu verbinden. Die Überwindung der diversen Firewalls war dabei eine der zu meisternden Herausforderungen. Im Projekt wurde nicht nur die Anbindung der KI im Kundenbereich entwickelt, sondern gleichzeitig die erforderlichen technischen und konzeptionellen Grundlagen geschaffen, um den weiteren Ausbau über alle Bereiche hinweg zu ermöglichen. Als „Frontrunner“ im Bereich KI an der Kundenschnittstelle konnte dabei weniger auf Erfahrungswerte oder vergleichbare Umsetzungen zurückgegriffen werden. Vielmehr wurde oft Neuland beschritten.
GO LIVE von ISA (Interaktive Service Assistenz) im Dezember 2022
Zuerst startete Ende 2022 der Voicebot mit Informationen rund um das Konto wie Kontostandsabfragen sowie die Ansage der letzten Umsätze. Gleichzeitig konnten Kunden_innen ihre Online-PIN sperren, entsperren oder ändern. Ein sehr nützlicher Service, wenn er rund um die Uhr zur Verfügung steht und keine Abhängigkeit mehr zu den Öffnungszeiten besteht. Kurze Zeit später folgten die ersten Möglichkeiten für Finanztransaktionen mit Überweisungen im Inland, im SEPA-Raum oder per Echtzeit. Für den weiteren Ausbau wurden bereits über 125 Anliegen (Intents) trainiert, die aus dem Dialog erkannt und in einer späteren Ausbaustufe Lösungen anbieten werden können.
Im Anschluss erfolgte die Livenahme von ISA als Chatbot mit Unterstützung des IBM Technology Expert Labs Teams. Bei der vorausgehenden Analysephase wurde festgestellt, dass aufgrund der im Bankenbereich unterschiedlich vorherrschenden Sicherungsverfahren Schwierigkeiten bei der Neueinrichtung der Banking-App bestehen. Deswegen wurde der Bot so trainiert, dass eine aktive Kundenansprache erfolgt, wenn vermutet wird, dass Kunden_innen Probleme mit ihrem TAN-Verfahren haben. Es öffnet sich dann automatisch ein Chatfenster und der Bot fragt an, ob eine Unterstützung gewollt ist. Genauso ist eine selbstständige Auswahl durch Kunden_innen möglich, wenn Hilfe über den Bot gewünscht wird.
Erstes Fazit – lessons learned nach den ersten Monaten im Livebetrieb
Das Handling des Voicebot erwies sich als schwierig und das Kundenfeedback zum neuen Telefonservice war verhalten. Die Gründe sind plausibel, lassen sich jedoch derzeit noch nicht so einfach bewältigen:
- KI kann vieles bewältigen, jedoch nicht den „gesunden Menschenverstand“. Verständliche verbale Übermittlungen wie „Schmitt mit Doppel-T“ müssen erst aufwendig programmiert werden. Zudem gibt es keine einheitlichen Regelungen für diese Erklärungen, sondern sind meist individuell entstanden.
- Die vielfältigen Namenskombinationen und Angaben im Verwendungszweck lassen sich nicht aus dem semantischen Aufbau der Datenbank ableiten. Die Übermittlung mittels Buchstabieralphabet erweist sich sowohl aus Kundenseite als auch technisch als sehr komplex.
- Die Prozesse von Mensch zu Mensch lassen sich nicht direkt auf die Abwicklung Mensch zu Maschine übertragen.
- Speech-to-Text ist komplizierter als Bilderkennung oder Bildgenerierung.
- In der Regel tätigen Kunden_innen ihre Überweisungen online. Wird zum Telefonhörer gegriffen, handelt es sich meistens um eine Ausnahmesituation, in der einem Menschen mehr als einer Maschine vertraut wird.
Das Angebot des Chatbots hingegen war so erfolgreich, dass die Kundenkontakte insgesamt sogar zugenommen haben. Das bedeutet, dass nicht nur eine Verlagerung der menschgestützten Serviceprozesse stattgefunden hat, sondern Kunden_innen lieber den Chat nutzen als in den FAQ‘s nach Antworten zu suchen oder die Suchfunktion zu nutzen. Das Kundenfeedback zu 100% positiv. Hervorgehoben wurde insbesondere:
- die Schritt-für-Schritt-Anleitung,
- die einfache Dialogführung auf Augenhöhe oder
- die anschauliche gut verständliche Erklärung.
Warum war der Chatbot so erfolgreich? In einem vierwöchigen Sprintzyklus zusammen mit dem Client Engineering Team von IBM stand vor allem die Usability im Vordergrund. So sind die Antworten nicht nur textbasiert, sondern sehr oft visuell oder interaktiv gestaltet. Der Bot bleibt beim kompletten Einrichtungsprozess immer an der Seite des Kunden. Nachfragen oder Nachschauen sind somit immer möglich. Einen Komfort, den es so bei der rein mündlichen Erklärung am Telefon nicht gibt.