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Know Your Customer - Vom Kostenfaktor zum Wettbewerbsvorteil

By | Senior Managing Consultant Banking and Financial Markets IBM DACH / Partner - Head of Banking BPO DACH
October 09, 2025

Compliance-Kosten senken und die Effizienz steigern: Mit intelligenten KI-Lösungen automatisieren Banken Know Your Customer-Prozesse und minimieren Risiken

 

Wie Banken mit Agentic AI Geldwäsche verhindern und Compliance-Kosten senken

 

Ob Kryptowährungen, Luxusgüter oder verschachtelte Unternehmensstrukturen – aktuelle Geldwäschefälle zeigen, wie kreativ und global vernetzt kriminelle Netzwerke vorgehen und wie dringend einheitliche, wirksame Präventionsmaßnahmen erforderlich sind. Mit jedem neuen Skandal verschärfen Regulierungsbehörden die Vorschriften für die Banken- und Finanzbranche. Die europäische Anti-Geldwäschebehörde AMLA und die sechste EU-Geldwäscherichtlinie stellen Banken vor die Herausforderung, ihre Kontrollsysteme gegen Geldwäsche permanent an den neuesten Stand der Vorschriften anzupassen. Zudem gilt es der neuen EU-Leitlinie für den Einsatz Künstlicher Intelligenz (EU AI Act) gerecht zu werden, die vor allem die Umsetzung von Automatisierungsmaßnahmen durch KI betrifft und somit auch umfassende Änderungen für Banken mit sich bringt. Gleichzeitig erfordern steigender Kostendruck in der Finanzbranche, digitale Geschäftsmodelle und die steigenden Service-Ansprüche der Kunden eine radikale Prozessverschlankung. Denn: Klassische Know-Your-Customer- (KYC) und Anti-Geldwäsche-Verfahren (Anti-Money-Laundering – AML) kommen zunehmend an ihre Grenzen. Sie erfordern zu viele manuelle Prüfungen und produzieren bei wachsenden Datenmengen immer noch zu viele Falsch-Positiv-Alarme bei der Transaktionsprüfung.

Die gute Nachricht: Mit Agentic AI – einer neuen Generation autonom agierender KI-Agenten – kann die eingeforderte Compliance weitgehend automatisiert erfüllt werden. Sie kann damit auch vom nötigen Kostenblock zur strategischen Differenzierungschance für Finanzinstitute werden. Institute, die die notwendigen Prüfungen schneller durchführen und so Konten schneller eröffnen oder Zahlungsvorgänge rascher freigeben können, überzeugen Kunden auch durch ihren besseren Service.

Regulatorischer Druck und operative Pain Points

 

Laut einer Studie wird das durchschnittliche Ausgabenwachstum für KYC- und AML-Budgets auf rund 17 Prozent pro Jahr geschätzt. Das heißt, die Ausgaben werden von 3,1 Mrd. US-Dollar im Jahr 2024 auf bis zu 6,8 Mrd. US-Dollar im Jahr 2028 anwachsen. Trotzdem müssen bis zu 70 Prozent aller Alarme weiterhin manuell nachbearbeitet werden. Hinter dieser Statistik verbergen sich zahlreiche stille Kostentreiber: fragmentierte Datenlandschaften, in denen Dokumente mehrfach erhoben und abgelegt werden, Third-Party-Risiken durch ausgelagerte Einzelschritte in der KYC-Prüfung und globale Fallkomplexität, sobald Sanktionen, PEP-Listen und lokal oder regional unterschiedliche Datenschutzvorschriften zusammenspielen. Das Ergebnis sind hohe Durchlaufzeiten, unzufriedene Kundinnen und Kunden sowie demotivierte Analystenteams – und eine Führungsebene, die permanent zwischen Compliance-Risiko, Kundenservice und Wachstumszielen abwägen muss.

 

 

Agentic AI betritt die Bühne

 

Automatisierte und intelligente Systeme unterstützen schon heute viele KYC-Prozesse. Im Unterschied zu den bisher eingesetzten regelbasierten Engines oder klassischen Machine-Learning-Modellen geht Agentic AI jedoch einen entscheidenden Schritt weiter: Sie schafft ein aufeinander abgestimmtes Netzwerk spezialisierter Sub-Agenten für KYC-Aufgaben, die eigenständig denken, handeln und beobachten. Vier Fähigkeiten stechen dabei besonders hervor:

  • Mittels „Dokumenten-Intelligenz“ können Ausweise und Handelsregisterauszüge extrahiert und verifiziert oder kritische Medienberichte zu Personen und Unternehmen in Sekunden geprüft werden. Das beschleunigt zum Beispiel initiale Kundenüberprüfungen und Konteneröffnungen.
  • Die “kontextuelle Mustererkennung“ hilft dabei, Transaktionen nicht allein anhand starrer Schwellenwerte zu beurteilen, sondern sie in einen umfassenden Verhaltens- und Risikokontext einzuordnen. Das liefert KYC-Teams bessere Anhaltspunkte, ob eine Transaktion tatsächlich verdächtig ist.
  • Mit Hilfe der „dynamischen Regeladaption“ werden neue regulatorische Vorgaben oder interne Policies in Echtzeit in die Entscheidungslogik integriert. So bleiben Finanzdienstleister immer auf dem Laufenden und können sichergehen, dass ihre KYC-Prozesse immer den aktuellen Vorgaben entsprechen.
  • Dank „kontinuierlichem Lernen“ kann jede abgeschlossene Prüfung in einen Feedback-Kreislauf eingespeist werden, der die KI-Modelle beständig verfeinert und falsch-positive Meldungen sukzessive reduziert.

Damit verschiebt sich die Rolle menschlicher Expertinnen und Experten in dem Prozess. Sie geht weg von repetitiven Standard-Überwachungsaufgaben und Recherchen hin zu hochwertiger Investigation der wirklich relevanten Fälle und gezielter Eskalationssteuerung.

 

Produktivität neu definiert

 

Die Effizienzvorteile von Agentic AI bei der Automatisierung von KYC-Abläufen sind immens: Onboarding-Zeiten für neue Kunden lassen sich signifikant verkürzen. Wo Banken bisher ganze Tage für die vorgeschriebenen Prüfungen benötigten, reduziert sich die Zeit im Idealfall nun auf Minuten. Abhängig vom Automatisierungsgrad ergibt sich aus unserer Sicht ein deutliches Einsparpotenzial der Gesamtkosten.

 

Drei strategische Handlungsoptionen

 

Führungskräfte haben im Kern drei Optionen, um diese Potenziale in ihrem Unternehmen zu heben:

  • Die Automatisierung einzelner Prozessschritte durch KI-Agenten bringt schnelle Erfolge auf eng umrissenen Einsatzfeldern, etwa bei der Dokumentenprüfung. Der Investitionsbedarf bleibt überschaubar, der strategische Impact allerdings ebenfalls.
  • Eine vollständige End-to-End-Automatisierung aller Prozesse im eigenen Haus verspricht maximale Kontrolle und Know-how-Transfer. Dies erfordert jedoch hohe Vorabinvestitionen sowie viele qualifizierte Fachkräfte, die schwer verfügbar sind. Bei dieser Option dauert es daher länger, bis sich die hohen Anfangsinvestitionen amortisieren.
  • Die dritte Option ist das gezielte Outsourcing ausgewählter, aufwändiger KYC-Abläufe. Ein KI-zentriertes Business Process Outsourcing (AI-First BPO) verbindet dann Agentic AI, skalierbare Cloud-Plattformen und dedizierte Delivery-Center für die ausgelagerten KYC-Prozesse. Dieses hybride Modell liefert schnelle Skaleneffekte, hohe Ergebnissicherheit und entlastet interne Teams, ohne den vollständigen Kontrollverlust eines klassischen Outsourcings.

 

 

AI-First-BPO – mehr als klassisches Outsourcing

 

IBM Consulting setzt beim AI-First-BPO auf eine plattform-agnostische Architektur. Die Agentic-AI-Module können hierbei nahtlos mit allen kundenseitig eingesetzten Plattformen zusammenarbeiten. Dabei können proprietäre Lösungen, IBMs KYC+, die ebenfalls viel genutzte Fenergo-Plattform oder Eigenentwicklungen der Kunden zum Einsatz kommen. Drei Prinzipien sind leitend: Eine zentrale Daten-Fabric schafft eine vertrauenswürdige, zentralisierte Datengrundlage („Single Source of Truth“) für interne Systeme und externe Register. Ein Governance-Layer gibt dynamische Leitlinien vor, die unerlaubte Aktionen unterbinden und das Unternehmen jederzeit bereit für ein Audit machen. Und adaptive Lernprozesse verfeinern die KI-Modelle mit jeder Nutzerinteraktion – vom Dokumentenupload bis zum Analysten-Feedback. Das verbessert die Prozesse fortlaufend und reduziert Falsch-Positiv-Meldungen weiter, das System wird immer verlässlicher. So entsteht ein integrierter KYC-/AML-Workflow, der auch regulatorische Schocks oder Volumenspitzen souverän absorbiert.

Messbare Ergebnisse für Bank und Kundschaft

 

Am Ende zählen drei Resultate: Erstens verringert sich das Risiko. Denn aktualisierte Regulierungsvorgaben fließen sofort in die eigenen Prozesse ein, lückenlos dokumentierte Audit-Trails und Erklärbarkeitsfunktionen stärken das Vertrauen der Aufsichtsbehörden. Zweitens ergeben sich Kostenvorteile durch reduzierte Personalkosten, schnellere Produkteinführungen und eine besser kalkulierbare Kostenbasis. Drittens verbessert sich die Reputation im Markt durch ein problemloses, schnelles Onboarding neuer Kunden. Dies steigert den Net Promoter Score, während eine nachweisbar funktionierende, proaktive Betrugserkennung das Vertrauen von Investoren und Regulatoren gleichermaßen festigt.

Agentic AI hat somit die Möglichkeit, regulatorisch notwendige KYC-Prozesse und die damit verbundene Compliance von einer reinen Pflichtübung zum echten Werttreiber zu machen. Institute, die diesen Wandel frühzeitig einleiten, sichern sich nachhaltige Kosten- und Wissensvorsprünge – noch bevor der nächste Geldwäsche-Skandal die Branche in Atem hält.

 

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